Katastrophen-Poesie

In unserer Hauptrubrik tauschen wir uns über all das aus, was uns momentan bewegt. :flag:
Ulriko
membr@
membr@
Beiträge: 64
Registriert: Sonntag, 24.09.2006, 21:37

Katastrophen-Poesie

Beitrag von Ulriko »

ciao a tutti,

Japan mag weit weg sein, aber wir Deutschen sind von der dortigen Entwicklung sehr stark berührt.
Italien hat Deutschland in Sachen Nuklearenergie einiges voraus.....
die ehemaligen Kraftwerke sind meines Wissens abgeschaltet.

Vielleicht sind / waren die Italiener genügend weitsichtig, die Gefahren von Erdbeben richtig einzuschätzen?
Immerhin aus 1799 kommt die mahnende Vision Friedrich Schillers, ein Auszug aus seiner Ballade "Das Lied von der Glocke", mit einer erstaunlichen Aktualität:

"............ Wohtätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
Und was er bildet, was er schafft,
Das dankt er dieser Himmelskraft,
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
Einhertritt auf der eignen Spur
Die freie Tochter der Natur.
Wehe, wenn sie losgelassen
Wachsend ohne Widerstand
Durch die volkbelebten Gassen
Wälzt den ungeheuren Brand!
Denn die Elemente hassen
Das Gebild der Menschenhand.
Aus der Wolke
Quillt der Segen,
Strömt der Regen,
Aus der Wolke, ohne Wahl,
Zuckt der Strahl!
Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?
Das ist Sturm!
Rot wie Blut
Ist der Himmel,
Das ist nicht des Tages Glut!
Welch Getümmel
Straßen auf!
Dampf wallt auf!
Flackernd steigt die Feuersäule,
Durch der Straße lange Zeile
Wächst es fort mit Windeseile,
Kochend wie aus Ofens Rachen
Glühn die Lüfte, Balken krachen,
Pfosten stürzen, Fenster klirren,
Kinder jammern, Mütter irren,
Tiere wimmern
Unter Trümmern,
Alles rennet, rettet, flüchtet,
Taghell ist die Nacht gelichtet,
..................

Und als wollte [die Flamme] im Wehen
Mit sich fort der Erde Wucht
Reißen, in gewaltger Flucht,
Wächst sie in des Himmels Höhen
Riesengroß!
Hoffnungslos
Weicht der Mensch der Götterstärke,
Müßig sieht er seine Werke
Und bewundernd untergehn............."


Es soll auch Übersetzungen in italienischer Sprache geben, leider bin ich beim Googeln nicht fündig geworden, abgesehen von einem kurzen Auszug:

http://www.goitre.it/CRG_file/archivio_ ... s_vari.htm

Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde

aus Schillers “Lied von der Glocke”

"Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde
vertraut der Sämann seine Saat
und hofft, daß sie entkeimen werde
zum Segen nach des Himmels Rat.
Noch köstlicheren Samen
bergen wir trauernd in der Erde Schoß
und hoffen, daß er aus den Särgen
erblühen soll zu schönerm Los.
Al buio ventre della sacra terra
(pubblicato 1927)
dal “Canto della campana” di Schiller
Al buio ventre della sacra terra
affida il seminatore la sua semenza
e spera che essa germoglierà
in abbondanza secondo il volere del cielo.
Semi ancora più meravigliosi
racchiudiamo fiduciosi nel ventre della terra
e speriamo che dalle bare
fioriranno a un destino migliore."

Hat jemand Hinweise auf weitere Übersetzungen,
ggf. auch von anderen Gedichten Schillers?
Neretino
italophil
italophil
Beiträge: 531
Registriert: Samstag, 18.04.2009, 22:36
Vorname: Raffaele

Re: Katastrophen-Poesie

Beitrag von Neretino »

Ciao,

schöne Sätze von prof. Schiller! Sehr schön sogar.

Ich möchte darauf hinweisen, dass Italien zwar vor Jahren aus der Atomenergie ausgestiegen ist, jedoch weiterhin aus Frankreich Atomenergie teuer gekauft hat (man kann halt nicht alles mit Luft und Liebe herstellen) und nun die Pläne feststehen und auch heute wieder von Enel bestätigt: Die Pläne bleiben aufrecht: Neue AKW´s in Italien zu bauen bzw. zu modernisieren bzw. wieder "einzuschalten".

Auch wenn ich mal wieder ins politische abdrifte:

Das Japan-Unglück ist tragisch und schlimm, ein super-GAU und einfach undenkbar... Ich will garnicht wissen, was ich die nächsten Tage noch alles lesen und sehen muss... AAABER: Die AKW´s brauchen wir noch eine ganze Weile. Diese Zeit zu nutzen, um die Solar-, Wind-, Gezeitenenergie, Erdwärme... ist natürlich empfehlenswert. Eine idealistische Vorstellung a la "Nach Fukushima heiz ich lieber wieder mit Kohle, als den Lichtschalter anzumachen und zur Arbeit fahre ich ab morgen mit Dampflokomotive" - hat natürlich nichts mit der Realität zu tun.
Benutzeravatar
lanonna
membro onorario
membro onorario
Beiträge: 6996
Registriert: Mittwoch, 14.06.2006, 23:59
Wohnort: Villa Felicità
Kontaktdaten:

Re: Katastrophen-Poesie

Beitrag von lanonna »

Es ist wirklich an der Zeit, mehr in die Solarenergie zu investieren.

Ulriko, danke für die Erinnerung an Schillers "Glocke". Unsere Vorfahren waren nicht die Dümmsten, nicht wahr?

Für Japan kann man nur hoffen.

Herzlichst

Lanonna :flag:
Freunde wirst du viele lieben, wie es Muscheln gibt am Meer,
doch die Schalen, die dort liegen, sind gewöhnlich alle leer.
Autor unbekannt
Ulriko
membr@
membr@
Beiträge: 64
Registriert: Sonntag, 24.09.2006, 21:37

Re: Katastrophen-Poesie

Beitrag von Ulriko »

danke, Lanonna und Neretino,

für eure Antworten.

Zitat: "Auch wenn ich mal wieder ins politische abdrifte":

warum denn nicht?
unpolitisch kann man eine solche Katastrophe nicht betrachten.

In Deutschland haben wir seit gestern einen erstaunlichen Aktionismus:

Biblis A und B und Neckarwestheim und Isar abschalten.....

spätestens in Japan haben wir Laien gelernt, dass auch ein "abgeschalteter" Reaktor einen GAU verursachen kann.
Und die Risiken, wegen derer die o. a. Kraftwerke abgeschaltet werden sollen

- Flugzeugabstürze und Erdbeben -

bestehen ungeschmälert auch dann weiter, wenn die Kraftwerke "abgeschaltet" sind, denn sie müssen auch in diesem Zustand gekühlt werden und haben in ihrem Inneren nichts von ihrem Gefahrenpotenzial eingebüßt.
Benutzeravatar
lanonna
membro onorario
membro onorario
Beiträge: 6996
Registriert: Mittwoch, 14.06.2006, 23:59
Wohnort: Villa Felicità
Kontaktdaten:

Re: Katastrophen-Poesie

Beitrag von lanonna »

Neretinos Hinweis aufs politische Abdriften bezog sich auf einen unpolitischen thread, der leider missbraucht wurde.

Natürlich hast du Recht, diese Katastrophe ist ohne die Politik nicht denkbar.

Ich wüsste gern, wie lange ein abgeschaltetes AKW gekühlt werden muss, bis es nicht mehr gefährlich werden kann. Und dann ist ja auch noch die Frage des Abbaus dieser AKWs.

Ich setze auf die Erweiterung der Sonnen - und Windenergie.

Wir haben auch Kollektoren auf dem Dach und verkaufen unseren Strom an unseren Anbieter. Dafür habe ich schon böse Worte einstecken müssen. "Preistreiber" war da noch harmlos. Ich denke, dass nach dieser Katastrophe in Japan so mancher umdenkt.

Lanonna
Freunde wirst du viele lieben, wie es Muscheln gibt am Meer,
doch die Schalen, die dort liegen, sind gewöhnlich alle leer.
Autor unbekannt
Neretino
italophil
italophil
Beiträge: 531
Registriert: Samstag, 18.04.2009, 22:36
Vorname: Raffaele

Re: Katastrophen-Poesie

Beitrag von Neretino »

Es ist für mich eine Urmethodik, dass in jedem noch so (anscheinend) unpolitisches Thema, die Poltik (evtl. besonders die Gesellschaftspolitik) einzubeziehen und vieles (wenn nicht alles) damit zu erklären.

Leider stößt das hier manchmal (wenn nicht sogar meistens) auf taube Ohren. Politik hat immer etwas mit Diskurs, Argumentation und Zähne zeigen zutun. Und viele hier suchen die schönen Stunden im schatten eines Olivenbaumes kurz vor einem italienischen Strand.

Das kann ich verstehen, nicht aber nachvollziehen.

4 Klammern gesetzt, juhu!


lanonna: Ich habe mich bewusst gegen Sonnenenergie auf meinem Dach entschieden. Da ich es nicht einsehe de facto doppelt für meinen Strom zu bezahlen und gleichzeitig weiterhin sowieso Strom aus AKWs zu bekommen. Dann kann ichs gleich lassen.

Ich setze auf Windenergie, Erdwärme und Gezeiten.
Ulriko
membr@
membr@
Beiträge: 64
Registriert: Sonntag, 24.09.2006, 21:37

Re: Katastrophen-Poesie

Beitrag von Ulriko »

ciao Lanonna,

grazie della tua risposta.....

die Betreiber von Photovoltaik auf dem Dach als "Preistreiber " zu bezeichnen:

Wie man sieht, fallen solche Ausfälle fallen auf den zurück, der sie ausgesprochen hat.

Zu deiner Frage:

Gar nicht so einfach.

Denn die Brennstäbe der jetzt - nach den zu erwartenden Merkel-Beschlüssen - quasi plötzlich abzuschaltenden Kraftwerke sind ja noch lange nicht abgebrannt.

Normalerweise werden die nach Jahren abgebrannten Brennelemente in ein neben dem Reaktor stehendes Abklingbecken gehängt. Dort dauert es immerhin noch 1 - 2 Jahre, bis die Resthitze soweit abgeklungen ist, dass die Brennelemente (theoretisch) abtransportiert werden könnten, in den sog. Castor-Behältern.

Bei den nicht vollständig abgebrannten Elementen, die ja nun quasi entsorgt werden müssten, wird die Abklingzeit weitaus länger dauern.

Da es aber kaum eine Lagermöglkichkeit für hochradioaktive Stoffe, geschweige denn ein Endlager gibt, gehe ich davon aus, dass die Stäbe der Einfachheit halber (oder eben mangels anderer Alternativen) in den Meilern verbleiben und dort gekühlt werden müssen.
Der Meiler wird also in Zukunft nicht mehr als Kraftwerk, sondern als Zwischenlager benutzt.... mit allen Konsequenzen und weiter bestehenden Gefährdungspotenzialen.

Man sieht: der jetzt an den Tag gelegte Aktionismus ist nicht die Lösung des Problems,
er wird sich schnell als Etikettenschwindel herausstellen. Ich hoffe nur, dass die Wähler sich durch solchen Aktionismus nicht veräppeln lassen.
Antworten