EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

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Todd

Re: EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

Beitrag von Todd »

Klar gibt's auch Länder, die die EU beneiden, aber bestimmt nicht Australien, Kanada oder die USA, leider....

Mit "Traditionen" mein' ich auch nicht das, was Du als Errungenschaften ansiehst, sondern (nicht nur, aber auch) Hemmnisse und kriminelle Aktionen, von Seiten der Staaten gedultet oder gefördert. Sprachenstreit, Konflikte und Vertreibungen, Korruption, Militarismus, Imperialismus, Stalinismus und Antisemitismus z.B., die in Europa (und z.T. nicht nur dort) eine lange Tradition haben, aber alles andere als erhaltenswert sind (tja, wer soll entscheiden, ob etwas erhaltenswert ist? Hoffentlich die Einsicht, dass viele Traditionen dem Menschen durchaus physich zu Leibe rücken können, und dass es etwas gibt wie das rechtsstaatliche Gesetz).

Jene verbreiteten negativen Traditionen haben aber in einem verworrenen, Institutions- und kompetenzundurchsichtigen, regionalen, partikolaristischen System sehr viel grössere Chancen, sich über Wasser zu halten, als in einem einzigen Bundesstaat.

Ich hätte persönlich lieber, mir würde ein demokratisches und transparentes System "übergestülpt", als weiter im Gebrakel, in Not, Diktatur und Unrecht zu leben wie halb Europa bis vor 1989 oder so gut wie ganz Europa bis 1945.


LG
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Ondina
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Re: EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

Beitrag von Ondina »

In deinem letzten Abschnitt beschreibst du sehr schön, dass es viele Wege gibt aus diesen Miseren heraus und auf bessere Wege zu kommen. Nach 45 tat sich etwas, 89 tat sich etwas und es tut sich auch jetzt einiges, weil Europa langsam Europa wird. Es geht auch nicht darum Mißstände zu erhalten, es geht nur um den Weg und das Verstehen, warum etwas wie ist und wie man deshalb damit umgeht, halt um die eigene Art.
Und die Leute, waren US-Amerikaner und ein Brasilianer (und sind es noch), die Europa warnen nicht ihren Weg als den wahren zu sehen. Sie sehen die Defizite bei sich viel stärker als wir, die wir nicht drin stecken.
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BO
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Re: EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

Beitrag von BO »

Europa ist doch eigentlich noch ein junges zartes Pflänzchen. Es hat unendlich lange gedauert, bis es gemeinsame Richtlinien gab, die sich in den letzten 20 Jahren auch in Italien sehr positiv ausgewirkt haben.

An einen Bund zu denken, ist meiner Meinung nach verfrüht bzw. ein Bund sollte für eine Union individueller Länder auch gar nicht das Ziel sein.

Die Errichtung einer europäischen Armee für die (erzwungende) Durchsetzung dieser Richtlinien würde doch den eigentlichen Gründungsgeist der EU zunichte machen.

Es ist schon klar, dass die EU ausschließlich politische Mittel in der Hand hat, um die Einhaltung der europäischen Gesetze durchzusetzen. Es ist eben alles mehr oder weniger auf freiwilliger Basis.

Die heute italienische Regierung – ob sie mir persönlich gefällt oder nicht – wurde demokratisch gewählt und wird in den nächsten 5 Jahren, das machen, was sie will. Bei evtl. Verletzungen der Richtlinien muss die EU eben versuchen auf politische Weise ihren Einfluss geltend zu machen.

Andere Möglichkeiten sehe ich da nicht und möchte ich auch, ehrlich gesagt, nicht sehen.

Saluti
BO
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Todd

Re: EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

Beitrag von Todd »

Hi Bo, hi all,

ich seh' die Möglichkeit einer zentralen föderativen Struktur auch noch nicht,

aber ich sag: leider.


Denn den angeblichen Reichtum Europas seh' ich nicht (bzw. ich seh' nicht, dass Europa was aus seinen Resourcen - auweia schon wieder dieses Wort - macht), im Gegenteil, ich hab' den Eindruck, es wirft seine Perlen vor die Säue.

Nun ist richtig, dass die Alternative (Kerneuropa und Mitgliedstopp schon in den 80ern) halb Europa aussen vorgelassen hätte, möglicherweise zu einem immensen Preis (Balkan und Osteuropa im Chaos oder Diktatur?), aber so wie's gelaufen ist, is' irgendwie auch wenig zufriedenstellend... klar, besser als nix, und vllt sogar besser als viele Erwartungen und sicher besser als so manche Ahnung .... aber ein den USA ebenbürtiger Partner? Nicht im mindesten.... immer nur 2. oder 3. Liga.... wobei man in der 1. auch viele viele Dinge auf der Welt zum Positiven verändern könnte....



LG
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Re: EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

Beitrag von BO »

Ciao caro mio Todd, pensavo che fossi annegato nel lago di Lugano. :D

Für die Amerikaner sind wir die alte Welt, aber nicht im Sinn vom verpönten "alt", sondern im Sinn ihrer Wurzeln. Jeder junge Amerikaner muss/sollte Europa, eben die eigenen Wurzeln, besucht und gesucht haben, bevor er in das eigentliche Erwachsenenleben eintritt. Das bedeutet also Ursprung und 1. Liga. So negativ sehe ich unser "altes" Europa also nicht.

Das Problem der Einwanderer/Flüchtlinge kann ein Land wie Italien, das aus mehr als 7000 km Küste besteht nicht alleine lösen. Italien ist da wohl auch nicht alleine, da Spanien, Frankreich, Griechenland und andere Mittelmeerländer das selbe Problem haben. Jede italienische Regierung in den letzten 20 Jahren hat erfolglos versucht eine Lösung für diesen enormen Einwanderungsstrom zu finden.

Ich bin froh, dass diese mit den fürchterlichsten Mitteln ankommenden Menschen weiterhin "aufgefischt" und erst einmal notdürftig versorgt werden. Ich glaube aber nicht, dass Italien alleine in der Lage sein wird, das Elend der restlichen Welt in den Griff zu bekommen.

Und weil hier ja über Amerika gesprochen wurde, der kilometerlange Zaun, der in Texas gegen die Einwanderung aus Mexiko errichtet wurde, ist auch nicht gerade ein Zeichen dafür, dass Amerika ein einwanderungsfreundliches Land ist.

Saluti
BO
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Re: EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

Beitrag von Todd »

Sai che non faccio il bagno nel lago da una vita, e ormai l'acqua non sarà più sporca come una volta....?


Klar hat Amerika auch hässliche Seiten, und "löst" bestimmte Notlagen noch schlechter, als man das in Europa tut...


Was mich an Europas Rolle nervt, ist, dass es, als es tatsächlich der erste Global Player war, nicht in erster Linie auf neue oder alte Handelspartner aus war (wie die USA nach dem 2. Weltkrieg, z.B.), sondern auf Eroberungen und Ausbeutung, die es später teuer hat bezahlen müssen (zusammen mit den Ex-Kolonien).

Jetzt aber, wo man die Resourcen zum echten Global Player noch viel mehr als damals hätte, und sich Gott sei Dank (wirklich) von der alten "Ich nehme aus, weil ich herrsche"-Mentalität verabschiedet hat (zugunsten meistens einer Win-win-amerikanischen Wirtschaftsphilosophie, früher in Europa abgetan als unedle Krämerdenke), da betreibt man Nabelschau, um auch den letzten baltischen Kleinststaat "zu integrieren" (wobei ich mich da frage, worin denn, wenn die weiterhin ihre nationalen Parlamente mit viel zuviel Macht behalten dürfen)... Persönlich find' ich das sehr schade.... verständlich, aber schade.


LG
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Re: EU prüft Italiens Umgang mit Ausländern

Beitrag von BO »

Klar ist das schade! Eine große Möglichkeit wurde/wird verpasst.

Aber wenn ich an die Zeiten vor Schengen denke, als es noch die echten Grenzen zwischen den einzelnen EU-Staaten gab. Als man auf dem Flughafen noch zitterte, wenn der Pass in den Scanner gelegt wurde, als man als Ausländer noch ohne großes Gedöns aus einem anderen EU-Land abgeschoben werden konnte, als ich alle 3 Monate meine Aufenthaltsgenehmigung erneuern musste und nicht sicher war, dass sie wieder verlängert wurde, als die österreichischen Zöllner uns jedes Mal mit ihrer "carta verde" nervten, usw. usw.

Ich kann mich noch gut an dieses Europa erinnern und jetzt kommt mir die Freiheit, die wir aufgrund einiger Vereinbarungen genießen, manchmal wie ein Wunder vor.

In meiner Aufenthaltsgenehmigung steht jetzt "auf unbeschränkte Zeit".

Irgendwann wird es auch das politische Europa geben. Da bin ich sicher.


Saluti
BO

P.S.: Hoffentlich wird Herr B. dann nicht der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Europa. :shock:
:shock:
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