Überblick: Berlusconi - Politiker und Unternehmer

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Überblick: Berlusconi - Politiker und Unternehmer

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Silvio Berlusconi
Politiker und Unternehmer


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Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi (Foto: AP)

"Ich bin verdammt dazu, immer zu gewinnen", hat Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi einmal gesagt. Bisher scheint dieser Satz zu stimmen für den vermögendsten und einflussreichsten Mann Italiens - als Geschäftsmann, in der Politik und vor Gericht. In den vergangenen zehn Jahren war Berlusconi in fast einem Dutzend Prozesse angeklagt, wurde verurteilt wegen Korruption, Bilanzfälschung und illegaler Parteienfinanzierung. Stets gewann er aber in der Berufung oder profitierte von der Verjährung.

Aufstieg durch Mafia-Kontakte?

Geboren wurde Berlusconi am 29. September 1936 als ältester Sohn eines Bankangestellten in Mailand. Sein Jura-Studium finanzierte er sich unter anderem als Alleinunterhalter auf Kreuzfahrtschiffen. Sein steiler Weg nach ganz oben begann mit riskanten Baudeals im Mailänder Umland, mit denen er den Grundstein zu seinem Vermögen setzte. 1961 machte er sich mit der Holding "Cantieri Riuniti Milanesi" selbstständig und schaffte es schließlich, einen der größten Konzerne Italiens aufzubauen. Sein Vermögen wird inzwischen auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.

Seine Kontakte zu Politik und Verwaltung sorgten bereits in den 80er Jahren für Spekulationen. Von vielen Seiten wurden ihm Bestechung und Mafia-Kontakte vorgeworfen, da einzelne Finanzierungen und Genehmigungen nicht eindeutig geklärt werden konnten. Berlusconi selbst hielt sich stets bedeckt, wenn es um seine unternehmerischen Anfänge ging.

Kontrolle der italienischen Medien

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Medienmogul: Ministerpräsident Berlusconi (Foto: AP)

Fakt ist, dass er heute über ein wahres Finanz-Imperium verfügt, das er über die Muttergesellschaft "Fininvest" steuert. Seine wichtigste Unterholding, die Mediaset, behauptet im italienischen Privatsender-Markt einen Anteil von 45 Prozent. Berlusconi kontrolliert das Unternehmen mit seinem Fininvest-Anteil von 48 Prozent. Außerdem ist er Eigentümer der führenden Kino-Kette "Cannon" und übernahm mehr als 50 Prozent des größten italienischen Buchverlags Mondadori. Außerdem ist er Eigentümer des Fußballclubs AC Mailand.

Erster Regierungsversuch scheitert

Berlusconis politische Karriere begann 1994, als er seine konservative Sammlungsbewegung "Forza Italia" mit der separatistischen "Lega Nord" und den ehemaligen Neofaschisten der "Alleanza nazionale" verbündete. Das Bündnis gewann daraufhin die Wahlen 1994 überraschend deutlich. Berlusconi kam damals zugute, dass das alte Parteiensystem in Folge der großen Korruptionsskandale zusammengebrochen war.

Seine Regierung scheiterte aber bereits nach 226 Tagen. Unlautere Finanzpraktiken in seinem Konzern, Druck auf den öffentlich-rechtlichen Sender RAI und seine nicht eindeutig getrennte Rolle als Unternehmer und Politiker führten schließlich zu seinem Rücktritt im Dezember 1994.
Neustart mit "Casa delle libertà"

Im Oktober 2000 erneuerte Berlusconi sein Mitte-Rechts-Bündnis unter dem neuen Namen "Casa delle libertà" (Haus der Freiheiten). Im Wahlkampf wurde seine politische Stellung durch staatsanwaltliche Ermittlungen und Prozesse zwar häufig angegriffen, aber nie ernsthaft erschüttert. Zu den Vorwürfen gehörten Meineid, Bestechung, illegale Parteienfinanzierung, Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung und Mafiakontakte.

Außerdem sagt man ihm die Mitgliedschaft in der berüchtigten Geheimloge P 2 nachgesagt - sein Name tauchte 1981 in Listen der Loge auf. Vorgeworfen wurde ihm auch die Nähe zu dem 2000 verstorbenen Sozialistenchef Bettino Craxi, der wegen Korruption zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden war.

Absolute Mehrheit im Mai 2001

Ungeachtet dieser Anschuldigungen sicherte sich Berlusconis Bündnis bei den Parlamentswahlen am 13. Mai 2001 die absolute Mehrheit. Im Senat gewann die "Casa" 177 der 315 Sitze. In der Kammer erzielte das Bündnis 368 von 630 Sitzen. Seinen ersten großen Auftritt als Regierungschef hatte Berlusconis beim Gipfeltreffen der G-8-Industriestaaten im Juli 2001 in Genua. Dabei geriet die Regierung in die Kritik, da die Polizei unverhältnismäßig brutal gegen Globalisierungsgegner vorging.
Eklat im EU-Parlament

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Ließ das deutsch-italienische Verhältnis einfrieren: Berlusconis Äußerungen im EU-Parlament (Foto: AP)

Auch sein erster Auftritt als Ratspräsident der EU am 2. Juli 2003 sorgte für Tumulte und diplomatische Irritationen. Als ihm der SPD-Abgeordnete Martin Schulz eine Verzögerungstaktik bei mehreren innen- und rechtspolitischen Themen vorwurf, schlug Berlusconi ihm vor, bei einem zur Zeit in Italien gedrehten Film über ein Konzentrationslager in die Rolle des "Kapo" (Schergen des Nationalsozialismus) zu schlüpfen. Der Vorfall führte zu einer deutlichen Verstimmung der deutsch-italienischen Beziehungen.

Als Tage später auch noch der italienische Staatssekretär für Tourismus, Stefano Stefani, deutsche Urlauber als "einförmige, supernationalistische Blonde" verunglimpfte, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen geplanten Italienurlaub ab. Stefani musste daraufhin zurücktreten. Im August 2003 demonstrierten Schröder und Berlusconi auf dem "Operngipfel" in Verona wieder Einigkeit.

Justizreformen zu seinen Gunsten

Im Laufe seiner Regierungszeit baute Berlusconi seinen Einfluss in Medien und Innenpolitik immer weiter aus. Ein neues Mediengesetz erlaubt ihm, seine drei größten privaten Fernsehsender zu behalten. Auch die öffentlich-rechtliche RAI wird nach und nach mit Berlusconi-Getreuen besetzt. Seine jüngste Justizreform, mit der er auf die seiner Ansicht nach "linken Richter und Staatsanwälte" des Landes zielte, kommt ebenfalls Berlusconis persönlichen Interessen zugute. Das von ihm angestoßene Immunitätsgesetz wurde hingegen im Januar 2004 vom obersten italienischen Verfassungsgericht wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot gekippt. Das Gesetz hatte die Immunität der fünf höchsten Amtsträger der Republik, darunter auch Berlusconi, vorgesehen.
Machtkämpfe im Regierungsbündnis

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Damals noch Hand in Hand: Gianfranco Fini und Silvio Berlusconi auf dem Parteitag von Finis Alleanza Nazionale im April 2002 in Bologna (Foto: LAPRESSE)

In seiner Koalition verlor Berlusconi 2004 den Machtkampf mit seinem Vizeministerpräsidenten Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale. Dieser hatte damit gedroht, die Regierung platzen zu lassen, sollte der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti nicht zurücktreten. Alleanza Nazionale und Christdemokraten warfen Tremonti eine einseitige Finanz- und Steuerpolitik vor. Tremontis Nachfolger wurde der parteilose Wirtschaftsprofessor Domenico Siniscalco.

Nach mehrmonatigen Konflikten schlossen die Beteiligten mit Blick auf bevorstehende Regionalwahlen im Dezember 2004 zumindest vorläufig Frieden. Der Generalsekretär der Christdemokraten (UDC), Marco Follini, wurde neuer Vizeministerpräsident, nachdem Fini den Posten des Außenminister übernommen hatte.

Umstrittener Einsatz im Irak

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Hunderttausende demonstrierten in Rom für die Freilassungs Sgrenas und einen Abzug der italienischen Truppen im Irak (Foto: AP)

Innenpolitisch gerät Berlusconi wegen des Einsatzes italienischer Truppen im Irak zunehmend unter Druck. Vor allem die Entführung der italienische Journalistin Giuliana Sgrena brachte die Öffentlichkeit gegen das Engagement Italiens in der Region auf. Hunderttausende gingen in Rom auf die Straßen und fordern den Abzug der Truppen.

Berlusconi kündigt daraufhin in einem Fernsehinterview an, die italienischen Soldaten würden ab September 2005 abziehen. Nach Rücksprache mit seinen alliierten Verbündeten rudert der Regierungschef jedoch wieder zurück: Seine Formulierung sei nur "als Wunsch" zu verstehen gewesen.

Stand: 15.04.2005 12:12 Uhr
Quelle: tagesschau.de
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