Truppenabzug im Irak

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Truppenabzug im Irak

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Italien kündigt Truppenabzug aus dem Irak an

Wirbel hat am Mittwoch die Ankündigung des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi vom Vorabend ausgelöst, Italien werde ab September seine Truppen aus dem Irak abziehen.
In Bagdad trat das Ende Januar gewählte Kabinett unter strikten Sicherheitsmaßnahmen und dem Krachen von Mörsergranaten zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
Berlusconi bestätigte seine Ankündigung bei einem Telefonat mit US-Präsident George W. Bush am Mittwoch. Er wünsche sich, "so schnell wie möglich, möglicherweise im September, mit dem schrittweisen Rückzug des italienischen Kontingents" beginnen zu können, zitierten italienische Medien das Gespräch.
Bush sagte nach dem Telefonat in Washington, Berlusconi habe ihm versichert, dass dies keinen Kurswechsel in der Politik bedeute. Außerdem solle der Abzug in Absprache mit den Verbündeten erfolgen. Auch hänge der Rückzug von der Fähigkeit der Iraker ab, sich selbst zu verteidigen.

Oppositionspolitiker und Kommentatoren in Italien kritisierten, dass Berlusconi den Abzug der 3000 italienischen Soldaten in einer Fernseh-Talkshow - und nicht im Parlament - angekündigt hat. Es sei ein "grober Schnitzer" des Regierungschefs, den Abzug der Truppen im Fernsehen zu verkünden, "während die Abgeordnetenkammer gerade über die weitere Finanzierung der Mission abstimmt", erklärte der Chef der Linksdemokraten, Piero Fassino.
Berlusconi hatte im Fernsehen auch erklärt, er habe bereits mit dem britischen Premierminister Tony Blair über einen Rückzug gesprochen: "Die öffentliche Meinung in unseren Ländern fordert diese Entscheidung", sagte Berlusconi. Blair spielte die Aussagen am Mittwoch als Missinterpretation herunter. Die Soldaten würden erst abgezogen, wenn die Iraker deren Platz einnehmen könnten, sagte er im Parlament in London. "Weder die italienische Regierung noch wir haben irgendeine Frist für einen Rückzug gesetzt", erklärte der Premier.
Berlusconi entgegnete am Nachmittag jedoch, es habe "keinerlei Missverständnisse" zwischen London und Rom gegeben. Mit den Italienern verlieren die USA ihren viertstärksten Verbündeten im Irak. Nach US-Medienberichten ist die Zahl der Länder, die Truppenkontingente im Irak stationiert hatten, von 38 auf 24 gesunken.

In Bagdad legten die 275 Abgeordneten des neuen irakischen Parlaments ihren Amtseid ab. Kurz vor Beginn der Sitzung wurde die "Grüne Zone" um das Sitzungsgebäude von mehreren Explosionen erschüttert. Augenzeugen sagten, Aufständische hätten versucht, Granaten auf das Gelände abzufeuern. Das US-Militär erklärte, es habe keine Opfer gegeben.
Auf einen Staatspräsidenten konnten sich die schiitischen und kurdischen Wahlsieger noch nicht einigen. Mit der Wahl, auf die dann auch die Nominierung des Ministerpräsidenten folgen soll, rechnen die Abgeordneten erst in der kommenden Woche.
In seiner in kurdischer und arabischer Sprache gehaltenen Eröffnungsrede sagte Fuad Masum, der Präsident des inzwischen aufgelösten Übergangsparlaments, zu den wichtigste Aufgaben der neuen Nationalversammlung zähle die Ausarbeitung einer endgültigen Verfassung. Mit Blick auf die sunnitischen Araber, die der Parlamentswahl am 30. Januar zum Großteil ferngeblieben waren, sagte er, auch Gruppen, die nicht im Parlament vertreten seien, sollten am Verfassungsprozess beteiligt werden.

(dpa, germanews.de)
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Analyse: Truppenabzug in Talkshow - Wahlkampf mit dem Irak

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Analyse: Truppenabzug in Talkshow - Wahlkampf mit dem Irak

In Italien wird die Talkshow "Porta a Porta" (Tür an Tür) auch ironisch "Die dritte Parlamentskammer" genannt. Wann immer Wahlen anstehen oder Ministerpräsident Silvio Berlusconi etwas Wichtiges mitzuteilen hat, lässt er sich im RAI-Fernsehen von Talkmaster Bruno Vespa interviewen.
So auch am Dienstagabend, als er die nicht nur für die Opposition, sondern auch für seine eigenen Koalitionspartner überraschende Ankündigung machte, Italien werde im Herbst mit dem Abzug seiner Truppen aus dem Irak beginnen. Eine Ankündigung, die Kommentatoren zufolge nicht rein zufällig wenige Wochen vor den Regionalwahlen in Italien erfolgte.

"Das Ziel ist ganz offensichtlich: Stimmen bei den Regionalwahlen Anfang April zu gewinnen und die Zeiten für den Beginn des Truppenabzugs so zu kalkulieren, dass dieser in den ersten Monaten 2006 - noch vor den Parlamentswahlen - abgeschlossen ist", meinte die Zeitung "La Repubblica". Schließlich hatte sich die ganz überwiegende Mehrheit der Italiener von Anfang an gegen den Militäreinsatz im Zweistromland gestellt - und auch mehrfach mit Massenkundgebungen ihrem Unmut Luft gemacht.
Nicht umsonst betonte Berlusconi in der Talkshow, "die öffentliche Meinung" fordere diese Entscheidung. Dass er damit vor allem seinen engsten Verbündeten in den Rücken fällt, scheint den Medienmann Berlusconi dabei wenig zu stören. Schließlich hatte Außenminister Gianfranco Fini nur wenige Stunden zuvor in einem Interview mit der französischen Wochenzeitung "Le Point" einen Rückzug kategorisch ausgeschlossen: "Es gibt überhaupt keinen Grund, die italienischen Truppen aus dem Irak abzuziehen." Noch am selben Abend hatte zudem das Abgeordnetenhaus der weiteren Finanzierung des Einsatzes zugestimmt.

"Antikes Babylonien" heißt die italienische Operation im Irak, für die über 3000 Soldaten in der krisengeschüttelten Region stationiert wurden. Der Stiefel-Staat gilt als einer der engsten Verbündeten der USA; mehr als einmal hatte Berlusconi seine tiefe Verbundenheit mit "Freund George" Bush öffentlich bekundet. Die überraschende Ankündigung des Truppenabzugs könne sich der italienische Ministerpräsident deshalb eigentlich gar nicht erlauben, kommentierten Medien. Zwar könne keiner Italien einen unilateralen Abzug verbieten. "Aber Berlusconi würde damit nicht nur der übermäßigen Solidaritäts-Politik mit den USA eine Absage erteilen, sondern auch 'Freund Bush' eine Ohrfeige geben", schrieb "La Repubblica".
So hat US-Außenministerin Condoleezza Rice bereits erklärt, sie vertraue darauf, dass jede Entscheidung über die italienischen Truppen so koordiniert werde, dass die Mission im Irak nicht gefährdet sei. Denn die Koalition beginnt mittlerweile erheblich zu bröckeln: So hat die Ukraine bereits am Dienstag mit dem Abzug ihrer Truppen aus dem Irak begonnen, die Niederlande beenden ihre Mission noch in diesem Monat, während Polen im Juli mit dem Rückzug beginnen will.

Berlusconis Schritt ist deshalb eigentlich nur mit Blick auf die Regionalwahlen und sein fortschreitendes Sinken in der Wählergunst zu erklären. Die Mittel-Links-Opposition sieht sich unterdessen in ihrer Politik, die sich stets gegen den Einsatz gerichtet hatte, bestätigt. Oppositionsführer Romano Prodi erklärte, es bleibe aber abzuwarten, ob den Worten nun auch Taten folgen.

(dpa, germanews.de)
Zuletzt geändert von NEWS am Donnerstag, 17.03.2005, 12:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Berlusconi rudert bei Irak-Truppenabzug zurück

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Berlusconi rudert bei Irak-Truppenabzug zurück

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat mit widersprüchlichen Aussagen über einen Truppenabzug Italiens aus dem Irak für Verwirrung gesorgt.

Nach den verstörten Reaktionen aus den USA und Großbritannien auf die Ankündigung Berlusconis, die italienischen Soldaten würden ab September nach Hause geholt, ruderte der Regierungschef zurück. Es habe nie ein festes Datum für den Abzug gegeben, zitierten italienische Zeitungen Berlusconi am Donnerstag. Der Monat September "war nur meine Hoffnung. Wenn es aber nicht möglich ist, dann ist es eben nicht möglich".

Gleichzeitig veröffentlichte die Zeitung "Il Foglio" am Donnerstag jedoch einen Wortbeitrag Berlusconis, in dem es heißt, seit den irakischen Wahlen vom 30. Januar könne man von einem "abgeschlossenen Einsatz" sprechen. Die Mitte-Links-Opposition sprach von "völliger Konfusion" und forderte Berlusconi auf, im Parlament über seine tatsächlichen Absichten zu berichten.

(WEB.DE, germanews.de)
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