Wie meine Liebe zu Italien entstand

Puglia
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lanonna
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Wie meine Liebe zu Italien entstand

Beitrag von lanonna »

Neretino, du hast mich tatsächlich dazu gebracht, noch einmal eine meiner Erzählungen einzustellen! :D

Wie meine Liebe zu Italien entstand


Immer wieder werde ich gefragt, wie ich zu meiner Liebe zu Italien gekom-men bin. Ich glaube, ich habe sie geerbt, mit der Muttermilch aufgesogen, in den Genen meines Vaters entdeckt, der einige der Kriegsjahre zwangsweise in Italien verbracht und eine besondere Zuneigung zu dem Land und seinen Menschen mitgebracht hatte...

Es war im Jahr 1950. Wir lebten sehr beengt in der Wohnung einer Freundin meiner Großmutter in zwei Zimmern und einem Badezimmer, das auch von den übrigen Hausbewohnern – und das war eine ganze Reihe – mitbenutzt wurden. In dieser Zeit hatte mein Vater neben seiner Arbeit nur ein Hobby: seine Musik. Geige spielte er, war Chef einer kleinen Tanzkapelle, und er war Mitglied im ört-lichen Mandolinenverein.

Und der bekam Besuch. Aus Italien. Aus Como. Die Leute sollten privat untergebracht werden. Natürlich konnten wir in unserer Enge keinen Gast aufnehmen, doch mein Vater ließ es sich nicht nehmen, zur Begrüßung der Gäste aus Italien zu erscheinen. Bald hatte jeder Musiker seinen Gastgeber gefunden, und man machte sich auf den Heimweg. Fast traurig sah mein Vater den anderen nach. Zu gern hätte auch er einen Gast betreut.

Als auch er sich auf den Heimweg machen wollte, entdeckte er einen sehr verlassen wirkenden Italiener. Es war der Busfahrer, den man bei der Verteilung auf die vorhandenen Betten vergessen hatte. „Venire“, sagte mein Vater in seinem „Kriegsitalienisch“ und bedeutete dem Mann, mitzugehen. Irgendwie würde man ihn schon unterbringen.

Michele war froh, nicht im Bus schlafen zu müssen. Die Matratze in der Küche tat ihren Dienst, und meine Mutter lernte die ersten Worte Italienisch. Ich auch. Eine Freundschaft entstand.

Als 1952 der Gegenbesuch in Como erfolgte, erhielten meine Eltern eine persönliche Einladung von Michele. Auch er lebte zu dieser Zeit mit seiner Familie noch beengt, aber für meine Eltern hatte man Platz. Dass die Reise auch finan-ziell zu bewältigen war, dafür sorgte mein Großvater, der absolut keine Vorliebe für Italiener hatte, aber von der Einladung zutiefst beeindruckt war.

Einen traumhaften Urlaub erlebten meine Eltern in Como. Michele und seine Frau Enia brachten die beiden überall hin, wo es etwas zu sehen gab, Milano und Bergamo, ja, sogar bis nach Genua.

Damit war die Liebe zu Italien, zu unseren italienischen Freunden in unserer Familie besiegelt.

Ich freundete mich später mit Carla, Micheles Tochter, an, die bei uns Deutsch lernen sollte. Wir alle lernten in dieser Zeit mehr Italienisch. Und meine Sehnsucht, dieses Land endlich kennen zu lernen, wurde immer größer.

Meine Tochter spielte mit Carlas Tochter Miki, und mein Enkel spielte schon mit Carlas süßem Enkel – die Freundschaft geht bereits in die vierte Generation.

Und als ich dann Apulien kennen lernte, neue Freundschaften schloss, da hatte ich endlich mein Stückchen Italien, meine zweite Heimat gefunden. All diese Freundschaften haben viele Jahre überdauert, haben zu neuen Freundschaften und zu wunderbaren Entdeckungen und Begegnungen geführt. Sie haben meine Entscheidung für mein Italien gefestigt und mich in guten wie in schlechten Zeiten begleitet, getröstet, erfreut und gestärkt. Sie haben nicht dazu geführt, mein geliebtes Stiefelland ausschließlich durch die rosarote Brille der Verliebten zu sehen. Aber auch die ganz normalen täglichen Probleme und Problemchen gehören zu meinem italienischen Leben schlichtweg dazu.

Über 40 Jahre sind inzwischen vergangen, und nichts hat sich an meiner Liebe zu Italien geändert.

Aus: Puglia mia
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Herzlichst

Lanonna
Freunde wirst du viele lieben, wie es Muscheln gibt am Meer,
doch die Schalen, die dort liegen, sind gewöhnlich alle leer.
Autor unbekannt
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