TIAM♡ITALIA - Italienforum

Das hab ich heute früh in den Nachrichten gehört:

Ein Gericht hat sieben Forscher zu Haftstrafen verurteilt.
Sie sollen das Erdbebenrisiko in Norditalien verharmlost haben. Beim Beben 2009 waren 300 Menschen umgekommen.
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-1 ... haftstrafe" onclick="window.open(this.href);return false;

Ich war überrascht, dass man Wissenschaftler dafür verantwortlich macht und auch über das hohe Strafmaß (das Gericht ging über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus). Wie denkt Ihr darüber?
Ist es wirklich möglich ein Erdbeben vorher realistisch einzuschätzen? War das fahrlässig, Entwarnung zu geben oder handelten die Wissenschaftler nachvollziehbar? Was bedeutet so ein Urteil? Werden sich sich Seismologen in Zukunft trauen, Prognosen abzugeben? Oder ist das endlich mal ein konsequentes Urteil gegen die Oberflächlichkeit teuer bezahlter Wissenschaftler? Immerhin schoben sich scheinbar auch hinterher einige der Angeklagten die Schuld gegenseitig zu.

Einerseits hat es mich fassungslos gemacht, da ich nach dem Besuch einer Erdbebenstation weiß, wie schwierig und auch unsicher selbst vage Voraussagen sind.

Andererseits habe ich gerade erst erfahren müssen, dass das italienische Rechtsverständnis sehr von dem unseren abweicht, dass sogar harmlose Vergehen mit Gefängnis bestraft werden können.

Urteile gegen den "kleinen Normalo" mögen seine Existenz und sein persönliches Umfeld zerstören, ob es rechtens ist oder nicht. Da wird der Einzelne auf geringes Interesse stoßen. Leider.

Aber das Urteil gegen diese Wissenschaftler wird mehr schaden als nützen. Welcher Wissenschhaftler wird unter dem Damoklesschwert einer Verurteilung zukünftig noch raten oder selbst fast sichere Voraussagen geben? Es geht doch nicht allein um Erdbeben sondern auch um andere Katastrophen.

Wer kann für das zukünftige Schweigen der Wissenschaftler die Verantwortung tragen?

Lanonna

Zuerst mal war ich etwas verwirrt, als ich den Titel des Artikels gelesen habe, da ich das Erdbebenrisiko in Norditalien nicht gleich mit den Beben im Jahre 2009 in Zusammenhang bringen konnte.

Davon abgesehen... ich bin durchaus der Meinung, dass ein gut bezahlter Wissenschaftler auch eine gut bezahlte Verantwortung trägt.
Wofür arbeiten die Seismologen, wenn ihre Arbeit letztendlich nicht nur sinnlos ist, sondern grossen Schaden anrichtet? Denn wenn ein Experte ausdrücklich sagt, es bestehe keine Gefahr und die Leute sollen sich entspannen, dann trägt er auch Verantwortung für diese Aussage. Andernfalls wäre es besser, wenn man in aller Bescheidenheit darauf hinweisen würde, dass man das Risiko nicht vorhersehen kann.

Ein Erdbeben sicher vorhersagen ist wohl nicht möglich. Aber so wie ich den Artikel verstehe, haben die Angeklagten ein mögliches Risiko heruntergespielt. Das ist in meinen Augen nicht in Ordnung.

Done

Marea hat geschrieben:Zuerst mal war ich etwas verwirrt, als ich den Titel des Artikels gelesen habe, da ich das Erdbebenrisiko in Norditalien nicht gleich mit den Beben im Jahre 2009 in Zusammenhang bringen konnte.

Du meinst wegen Norden? Das stimmt, das ist eigentlich blöd formuliert und irreführend.
Ist ja nun wirklich schon die Mitte.

Immerhin ist das Gericht mit seinem Strafmaß von 6 Jahren, über dem was die Staatsanwaltschaft gefordert hat (4 Jahre).
Da wird es wohl gravierende Ungereimtheiten gegeben haben. Wieso wird eine Gefahr heruntergespielt, das würde mich schon interessieren?
Oberflächlichkeit, Faulheit (ach der Aufwand wenn die Menschen alle betreut und untergebracht werden müssen) oder Dummheit?
Auf jeden Fall wollen die Verurteilten nun in Revision gehen. Dass das Thema damit so in das öffentliche Interesse gerückt ist, finde ich jedenfalls gut.

Vielleicht war es Überheblichkeit, Ondina ......

Es ging wirklich nicht darum, dass von den Wissenschaftlern verlangt wurde Erdbeben vorauszusehen. Das kann niemand. Es wurde ihnen vorgeworfen, dass sie nach dem ersten großen Beben Entwarnung gegeben hatten und dass dadurch weitere Menschen ums Leben gekommen sind. Das ist Fahrlässigkeit. Wie kann man Entwarnung geben, wenn man nicht genug Kenntnisse hat.

lanonna hat geschrieben:Andererseits habe ich gerade erst erfahren müssen, dass das italienische Rechtsverständnis sehr von dem unseren abweicht, dass sogar harmlose Vergehen mit Gefängnis bestraft werden können.

Harmlose Vergehen werden in Italien im allgemeinen nicht mit einer Haftstrafe bestraft oder sagen wir es mal so: Wenn evtl. eine Haftstrafe vorgesehen ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass jemand seine Strafe wirklich absitzen muss. Seit Jahren herrscht in Italien Missstimmung darüber, dass sogar bei schweren Straftaten, wie Mord, die Täter innerhalb von kurzer Zeit wieder frei sind. Die Gefängnisse sind einfach überfüllt.

Das wird bei den in erster Instanz verurteilten Wissenschaftlern genauso sein.

BO hat geschrieben: Das ist Fahrlässigkeit. Wie kann man Entwarnung geben, wenn man nicht genug Kenntnisse hat.

Und das ist der Punkt. Hatten sie Kenntnisse? Wollten sie wirklich Kenntnis davon haben? Oder sind sie sich Ihrer Verantwortung nichtmal ansatzweise bewusst gewesen oder haben sie sogar voll ausgeblendet? Das wäre dann schon mehr als fahrlässig, zumindest grob fahrlässig.

Was schreiben denn die italienischen Medien dazu?