
Borsellino und Falcone
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Borsellino und Falcone
Hallo allerseits, ich hab' angefangen Italienisch zu lernen und versuch' dabei natürlich auch ein bischen über Italien selber zu lernen. Beim Lesen treff' ich immer wieder auf zwei Namen: Borsellino und Falcone. Mir ist klar, daß das zwei Richter waren, die gegen die Mafia gearbeitet und auch durch sie umgebracht wurden. Aber da sind die beiden doch bestimmt nicht die Einzigen. Was ist das Besondere an Ihnen? 

Re: Borsellino und Falcone
"Der Priester, die Camorrha, der Minister - mir san alle wie Gschwister". Diese Lebensweisheit ist (oder war?) Gang und Gebe in Italien und auch anderswo.
Insbesondere Falcone (der in meinen Augen der authentischere Anti-Mafia-Kämpfer war) war nicht nur Jurist in Italien. Er kam aus Sizilien und lebte in Palermo. Dort als Person öffentlichen Lebens, öffentlich gegen die Cosa Nostra zu sein, heißt auf langer Sicht: Sterben.
Das Besondere an beiden sind für mich nicht die Arbeiten ansich, sondern die Umstände in dieser Epoche Italiens. Man musste es eigentlich mit erleben. Ich empfehle hier wirklich Filme und Bücher (die meisten sind sehr, sehr gut gemacht worden).
Ein weiterer Punkt: Falcone war strengstens bewacht. Dieser Anschlag ist nur möglich gewesen, weil ranghohe Personen diese Informationen (Landung von Falcone, Route auf der Autobahn etc...) an die Mafia weitergegeben worden ist. Das war dann der eigentliche Skandal danach. Nach dem Motto: Der Staat sollte solch eine Person durch Schutz unterstützen und hat ihn dann (indirekt) verraten.
Und noch ein weiterer Punkt: Durch Falcone und Borsellino (unteranderem) wurde die gesamte italienische, politische Klasse aufgedeckt und mehr oder weniger ausgetauscht. Zumindest haben beide passiv damit zutun.
Damit sei nicht nur die berühmte Geschichte über Craxi zu erwähnen, sondern auch beispielsweise den "Ehrensenator" und Nimmersatt Andreotti.
Wer sich mit Italien auseinandersetzen möchte, muss diese Epoche kennen lernen. Das erklärt auch sehr viel über das heutige Italien. Leider kennen sich die wenigsten aus und zitieren deshalb südtiroler Zeitungen

Insbesondere Falcone (der in meinen Augen der authentischere Anti-Mafia-Kämpfer war) war nicht nur Jurist in Italien. Er kam aus Sizilien und lebte in Palermo. Dort als Person öffentlichen Lebens, öffentlich gegen die Cosa Nostra zu sein, heißt auf langer Sicht: Sterben.
Das Besondere an beiden sind für mich nicht die Arbeiten ansich, sondern die Umstände in dieser Epoche Italiens. Man musste es eigentlich mit erleben. Ich empfehle hier wirklich Filme und Bücher (die meisten sind sehr, sehr gut gemacht worden).
Ein weiterer Punkt: Falcone war strengstens bewacht. Dieser Anschlag ist nur möglich gewesen, weil ranghohe Personen diese Informationen (Landung von Falcone, Route auf der Autobahn etc...) an die Mafia weitergegeben worden ist. Das war dann der eigentliche Skandal danach. Nach dem Motto: Der Staat sollte solch eine Person durch Schutz unterstützen und hat ihn dann (indirekt) verraten.
Und noch ein weiterer Punkt: Durch Falcone und Borsellino (unteranderem) wurde die gesamte italienische, politische Klasse aufgedeckt und mehr oder weniger ausgetauscht. Zumindest haben beide passiv damit zutun.
Damit sei nicht nur die berühmte Geschichte über Craxi zu erwähnen, sondern auch beispielsweise den "Ehrensenator" und Nimmersatt Andreotti.
Wer sich mit Italien auseinandersetzen möchte, muss diese Epoche kennen lernen. Das erklärt auch sehr viel über das heutige Italien. Leider kennen sich die wenigsten aus und zitieren deshalb südtiroler Zeitungen





Re: Borsellino und Falcone
Das kann man leider nur unterstreichen.neretino hat geschrieben: ...
Wer sich mit Italien auseinandersetzen möchte, muss diese Epoche kennen lernen. Das erklärt auch sehr viel über das heutige Italien. Leider kennen sich die wenigsten aus und zitieren deshalb südtiroler Zeitungen
...
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- novell@
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- Registriert: Donnerstag, 28.04.2011, 21:37
- Vorname: Michael
Re: Borsellino und Falcone
Hallo Neretino und Todd,
Vielen Dank für Eure Antworten
Der zentrale Punkt ist also: "Wer sich mit Italien auseinandersetzen möchte, muss diese Epoche kennen lernen." Das hieße also, dass Borsellino und Falcone heute, auch wenn sie die gleiche Arbeit machen würden, gar nicht besonders auffallen würden? Oder anders herum: Sie wurden zu "Helden", weil sie zur richtigen Zeit (80iger Jahre) am richtigen Ort (Palermo) mit den richtigen Ideen (Antimafia) waren?
Da sich mir Geschichte am besten über die Protagonisten vermittelt, hab' ich mir gerade die Falcone-Biografie von Vincenzo delle Donne
bestellt. Dabei ist mir aufgefallen, daß über Borsellino so gut wie garnichts in dieser Hinsicht zu finden ist. Scheinbar ist er auch in den Augen anderer der weniger "authentische Anti-Mafia-Kämpfer"...
Ich werd' heute mal schaun, was ich noch so aus den Tiefen des Webs heben kann.
Schönes Wochenende wünscht Euch Micha
Vielen Dank für Eure Antworten

Da sich mir Geschichte am besten über die Protagonisten vermittelt, hab' ich mir gerade die Falcone-Biografie von Vincenzo delle Donne
Ich werd' heute mal schaun, was ich noch so aus den Tiefen des Webs heben kann.
Schönes Wochenende wünscht Euch Micha

Re: Borsellino und Falcone
Micha, auch heutzutage gibt es "Mafia-Jäger". Der Bekannteste weltweit ist wohl Saviano. Der hat aber keinen Erfolg bei der Jagd; dafür umso mehr bei den Verkaufszahlen von Buch und Film und bei den Honoraren seiner Auftritte.
--> Das ist der Unterschied zu damals. Damals hat sich niemand getraut als Jurist (= Freund der Mafia) aus Sizilien (= Freund der Mafia) lebend in Palermo (= Freund der Mafia) in bekannter, publizistischer, prominenter Funktion (=Freund der Mafia) sich GEGEN die Mafia zu stellen.
Falc und Borse würden heute über Saviano und seine Undercover-Aktion müde lächeln.
Ich fand die Kompetenz udn die Fähigkeiten beider immer etwa gleich groß. Trotzdem war mir Falcone immer sympathischer, authentischer und exakter in Aussagen und Darstellung im Interview bspw... Außerdem war Falcone ein großer Kolumnist und heißbegehrt bei den Zeitungen (Trotzdem hat er sich nie wie ein Travaglio verhalten, der überall die Beine auf- und zuschlägt, wo gerade Geld zu verdienen ist).
Ob das in der restlichen Republik auch damals so ankam, kann ich nicht beurteilen.
Ich freue mich übrigens immer wieder, wenn sich die sog. "Italophile" hier und anderswo sich nicht nur mit Olivenöl und die romantischsten Buchten Italien auseinandersetzen würden, sondern auch mal sich mit so etwas beschäftigen. Viel Erfolg weiterhin! Ich freue mich auf weitere Fragen"!
--> Das ist der Unterschied zu damals. Damals hat sich niemand getraut als Jurist (= Freund der Mafia) aus Sizilien (= Freund der Mafia) lebend in Palermo (= Freund der Mafia) in bekannter, publizistischer, prominenter Funktion (=Freund der Mafia) sich GEGEN die Mafia zu stellen.
Falc und Borse würden heute über Saviano und seine Undercover-Aktion müde lächeln.
Ich fand die Kompetenz udn die Fähigkeiten beider immer etwa gleich groß. Trotzdem war mir Falcone immer sympathischer, authentischer und exakter in Aussagen und Darstellung im Interview bspw... Außerdem war Falcone ein großer Kolumnist und heißbegehrt bei den Zeitungen (Trotzdem hat er sich nie wie ein Travaglio verhalten, der überall die Beine auf- und zuschlägt, wo gerade Geld zu verdienen ist).
Ob das in der restlichen Republik auch damals so ankam, kann ich nicht beurteilen.
Ich freue mich übrigens immer wieder, wenn sich die sog. "Italophile" hier und anderswo sich nicht nur mit Olivenöl und die romantischsten Buchten Italien auseinandersetzen würden, sondern auch mal sich mit so etwas beschäftigen. Viel Erfolg weiterhin! Ich freue mich auf weitere Fragen"!
- lanonna
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Re: Borsellino und Falcone
Ich stimme dir gern zu, Neretino.
Allerdings ist für mich das sich Befassen weitaus wichtiger als mich mit mehr oder minder großem Halbwissen dazu zu äußern. Weshalb ich mit großer Begeisterung deine Kommentare lese.
Und nicht nur die. Es gibt mittlerweile auf dem Buchmarkt eine menge interessanter Bücher, von denen ich glücklicherweise einen ganzen Teil rezensieren darf.
Besonders aussagekräftig für die, die gern mafiamäßig romantisieren, finde ich den Bildband von Alberto Giuliani, Malacarne - Leben mit der Mafia, das sehr eindrückliche Bilder und tiefgreifende Texte enthält
http://www.amazon.de/gp/product/3940004 ... 394000488X
Die Texte stammen unter anderem von Roberto Saviano und von Rita Borsellino, der Schwester des ermordeten Richters Paolo Borsellino und vielen anderen Kennern der Materie.
Auch Petra Reski, Von Kamen nach Corleone kann ich sehr empfehlen. Eine Frau, eine Deutsche, die in Italien lebt, räumt auf mit der Idee, dass die Mafia ein rein italienisches Problem ist.
http://www.amazon.de/gp/product/3455501 ... 345550163X
Und Marisa Merico, Mafia-Princess beschreibt als Tochter eines Clan-Chefs, wie schnell arglose Menschen in die Fänge der Organisation geraten und kaum mehr herauskommen.
http://www.amazon.de/gp/product/3404616 ... 3404616766
Das sind nur ein paar Beispiele aus den letzten zwei Jahren.
Und um beim Bild des herrlichen Olivenöls zu bleiben: Das Öl ist das Gold Italiens, das alle gern hätten - die Mafia der klebrige Teer, sich vor dem zu schützen nicht immer einfach ist. Eben auch nicht in Deutschland. Leider.
Lanonna

Allerdings ist für mich das sich Befassen weitaus wichtiger als mich mit mehr oder minder großem Halbwissen dazu zu äußern. Weshalb ich mit großer Begeisterung deine Kommentare lese.
Und nicht nur die. Es gibt mittlerweile auf dem Buchmarkt eine menge interessanter Bücher, von denen ich glücklicherweise einen ganzen Teil rezensieren darf.
Besonders aussagekräftig für die, die gern mafiamäßig romantisieren, finde ich den Bildband von Alberto Giuliani, Malacarne - Leben mit der Mafia, das sehr eindrückliche Bilder und tiefgreifende Texte enthält
http://www.amazon.de/gp/product/3940004 ... 394000488X
Die Texte stammen unter anderem von Roberto Saviano und von Rita Borsellino, der Schwester des ermordeten Richters Paolo Borsellino und vielen anderen Kennern der Materie.
Auch Petra Reski, Von Kamen nach Corleone kann ich sehr empfehlen. Eine Frau, eine Deutsche, die in Italien lebt, räumt auf mit der Idee, dass die Mafia ein rein italienisches Problem ist.
http://www.amazon.de/gp/product/3455501 ... 345550163X
Und Marisa Merico, Mafia-Princess beschreibt als Tochter eines Clan-Chefs, wie schnell arglose Menschen in die Fänge der Organisation geraten und kaum mehr herauskommen.
http://www.amazon.de/gp/product/3404616 ... 3404616766
Das sind nur ein paar Beispiele aus den letzten zwei Jahren.
Und um beim Bild des herrlichen Olivenöls zu bleiben: Das Öl ist das Gold Italiens, das alle gern hätten - die Mafia der klebrige Teer, sich vor dem zu schützen nicht immer einfach ist. Eben auch nicht in Deutschland. Leider.
Lanonna


Freunde wirst du viele lieben, wie es Muscheln gibt am Meer,
doch die Schalen, die dort liegen, sind gewöhnlich alle leer.
Autor unbekannt
doch die Schalen, die dort liegen, sind gewöhnlich alle leer.
Autor unbekannt
Re: Borsellino und Falcone
Hallo lanonna,
ich verstehe deinen Einwand - war auch nicht gegen dich gerichtet. Ich finde es nur wichtig, dass sich ein selbst bezeichneter "Italophiler" sich auch damit beschäftigt.
Petra Reski durfte ich persönlich kennen lernen und habe dann auch demletzt die gleichnamige Doku (also wie ihr 2. Buch) auf 3sat gesehen.
Auch bei ihr habe ich das Gefühl: Sie will Bücher verkaufen und: Sie will bekannt werden.
Auch bei ihr fehlt mir das gewisse Etwas. Sie hat auch in meinen Augen ja nichts Neues entdeckt, seit Duisburg weiß jedes Kind, was sie nun entdeckt hat... Und die größte Mehrheit hat es auch schon davor gewusst.
Ehrlich gesagt, habe ich ihr Buch noch nicht gelesen. Auch ihr erstes Buch nicht. Eventuell wird sich meine Meinung dadurch ändern? Ungewiss.
ich verstehe deinen Einwand - war auch nicht gegen dich gerichtet. Ich finde es nur wichtig, dass sich ein selbst bezeichneter "Italophiler" sich auch damit beschäftigt.
Petra Reski durfte ich persönlich kennen lernen und habe dann auch demletzt die gleichnamige Doku (also wie ihr 2. Buch) auf 3sat gesehen.
Auch bei ihr habe ich das Gefühl: Sie will Bücher verkaufen und: Sie will bekannt werden.
Auch bei ihr fehlt mir das gewisse Etwas. Sie hat auch in meinen Augen ja nichts Neues entdeckt, seit Duisburg weiß jedes Kind, was sie nun entdeckt hat... Und die größte Mehrheit hat es auch schon davor gewusst.
Ehrlich gesagt, habe ich ihr Buch noch nicht gelesen. Auch ihr erstes Buch nicht. Eventuell wird sich meine Meinung dadurch ändern? Ungewiss.